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Kolumne August 2017

Erneut brachte der türkische Staatschef RECEP TAYYIP ERDOGAN die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung - und entfernt sich damit immer weiter von Europa. Auch begeisterte er seine Anhänger ein Jahr nach dem gescheiterten Staatsstreich mit den Worten: "Wir werden den Verrätern die Köpfe abreißen". Und "Die Putschisten werden Tag um Tag sterben, weil sie hinter Gefängnismauern verfaulen." Einige Türken schwingen schon die Galgenstricke und stimmen Sprechchöre an: "Tod, Tod !" Die Bevölkerung sieht das offenbar anders. Die Türkei war für viele Deutsche einmal ein schönes Urlaubsland, heute sind europäische Grundwerte dort nichts mehr wert. Der türkische Parlamentspräsident ISMAIL KAHRMAN zeigte sich vor der Nationalversammlung mit den Worten: "Denjenigen, die unsere Werte angreifen, brechen wir die Hände, schneiden die Zunge ab und vernichten ihr Leben". Wie bitte? In BODRUM shoppen, in ISTANBUL Zeugen der prächtigen historischen Vergangenheit dieses Landes besichtigen, in Antalya ein Golf Resort besuchen, in SIDE die Altstadt besichtigen, die BLAUE REISE buchen und in ALANYA am Strand liegen, für mich kommt das nie mehr infrage! Der Bosporus sieht mich nicht wieder. Zehntausende sitzen in Haft, viele Menschen haben Berufsverbot und verlieren per Dekret ihren Job oder werden enteignet. Als sich der Jahrestag des Staatsstreiches am 15. Juli jährte, hatte jeder Türke, der in dieser Nacht sein Handy nutzte, die Rede des Staatspräsidenten als Vorwort in seinem Ohr. Wie lange hält sich da noch der gesellschaftliche Frieden? Offensichtlich bei der Hälfte aller Türken! Die Diktatur des Staatspräsidenten soll so aussehen, als sei das der Wille des Volkes, obwohl fast die Hälfte der Abstimmenden beim Verfassungsreferendum sich gegen die Einführung des Präsidialsystems ausgesprochen haben. Das Verhalten des Staatspräsidenten ist mittelalterlich, ihm mangelt es an Humanität. Aber wir sind im 21. Jahrhundert und nicht im Mittelalter. Dieses Verhalten war vor 500 Jahren vielleicht üblich, doch da begann die Reformation, mit einem Mann, MARTIN LUTHER, der sich erfolgreich gegen das damalige Wirken und Lügen der mächtigen katholischen Kirche wehrte.

Anlässlich dieser Erinnerung feiern wir am 31. Oktober 2017 nach 500 Jahren das Reformationsjubiläum. Ich will jetzt nicht sagen, dass jeder in die Lutherstadt WITTENBERG fahren sollte, um die größte Bibel der Welt zu bestaunen. Obwohl Wittenberg und die Wartburg bei Eisenach in diesem Reformationssommer viel zu bieten haben. Traurig finde ich nur, dass so viele Menschen unwissend und gleichgültig sind. Sie wissen nicht, wann LUTHER die Bibel übersetzte, noch kennen sie MELANCHTHON, der Vertraute MARTIN LUTHERS. Die Reformatoren gingen damals sehr unnachgiebig mit den radikalen Täufern in Münster um. Von MARTIN LUTHERS "Freiheit eines Christenmenschen" war da nicht die Rede. Davon zeugen noch heute die Käfige an der Lambertikirche in Münster. Die Andersdenkenden wurden damals zu Tode gefoltert und in eisernen Käfigen hoch an den Türmen der Kirche zur Schau gestellt. Hexen, Gespielinnen und Gehilfen des Teufels waren für Hungersnöte, Kindstod und Seuchen verantwortlich. Für Martin Luther und Philipp Melanchthon war die Existenz von weiblichen und männlichen Hexen eine ausgemachte Sache. Sichtbar und Hörbar wird das Reformationsjahr weltweit, weil Kirchen aus aller Welt in Italien, Schweden, Dänemark, Norwegen, England, Polen, Kaliningrad, Spanien, Rumänien, Belgien, Holland, Indien, Bangladesch, Tansania, Südamerika, Singapur, Bangkok, Neuseeland, Chatham-Inseln rund um den gesamten Globus das Reformationsjubiläum begrüßen. Die Reformation hat viele Menschen dazu gebracht, in Glaubensfragen selbstständig zu denken. Sie hat Christus und die Bibel ins Zentrum gestellt, denn reformatorische Kirchen sind lernfähig. Rund um den bewohnten Erdkreis werden die Medien dazu genutzt, sowie damals 1517 der Buchdruck, um LUTHERS Überzeugung zu verbreiten. Dieser "Wutbürger" hat seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel am 31. Oktober 1517 an die Schlosskirche zu Wittenberg gehämmert. Leider tanzen seit 1990 in Deutschland viele, insbesondere die Kinder, an diesem Reformationstag, am Tag vor Allerheiligen, um Kürbisse herum. Warum bringen Eltern und Schule den Kindern diese amerikanischen Halloweenbräuche näher, als unsere Reformation? Die Abrechnung gegen den römisch-katholischen Ablasshandel, der versprochene Sündenerlass wurde von LUTHER als "Lug und Trug" bezeichnet. Im Vatikan herrschte Korruption, Vetternwirtschaft, Prunksucht und Machtgier. Und da kam ein Mönch aus Deutschland, der denen ans Geld wollte. Das konnte nicht gut gehen. So wie heute die Menschenrechtler in der Türkei in Gefängnisse müssen, wurde er damals verfolgt. Die Reformation war keine weltliche Revolution, keine politische sondern eine religiöse. Sein Judenhass war eine große Schuldverstrickung. Er stellte die hierarchische Weltordnung auf den Kopf. Nur sein Gewissen zählte, als er beim Reichstag zu Worms 1521 die Worte sprach: "Hier stehe ich und kann nicht anders!" die Welt veränderte. Er war im Denken radikal. In nur 11 Wochen übersetzte er das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. Niemand hat die Geschichte der deutschen Sprache so beeinflusst, wie er. Er ist zwar nicht der Erfinder der deutschen Sprache, aber er hat uns ungezählte Wörter und Redensarten beschert, die wir noch heute nutzen. Auch hat LUTHER mit der Bibelübersetzung zu einer gemeinsamen Grundlage der deutschen Sprache bei der Erfindung des Buchdrucks beigetragen. Da Luther in den kommenden Wochen mit Filmen, Romanen, Veranstaltungen zur Geschichte der Reformation und Ausstellungen sowieso in aller Munde sein wird, hier noch ein paar Nebensächlichkeiten: Luther hatte als Mönch die Ehelosigkeit versprochen. Dennoch heiratete er. Das war das größte Hindernis für eine Versöhnung mit dem Papst. Katharina von Bora, Ehefrau von Martin Luther, ehemalige Nonne, hatte einen weitaus größeren Einfluss auf die Reformation, als allgemein bekannt ist. Mit sechs Jahren kam sie ins Kloster, mit sechszehn wurde sie als Nonne eingesegnet, mit vierundzwanzig floh die Ordensschwester aus dem Kloster und machte mit sechsundzwanzig Jahren Luther einen Heiratsantrag, als er sie an Kaspar Glatz vermitteln wollte. Sie leistete Widerstand, und so entschloss sich Luther selbst, sie zu heiraten. Sie bekamen sechs Kinder. Sogar im weithin konfessionslosen Ostdeutschland hielten mehr Menschen das Christentum für eine Bereicherung der deutschen Kultur als den Atheismus. Unzählige Bücher über MARTIN LUTHER sind in diesem Jahr erschienen. Festgottesdienste finden in fast jeder Stadt statt. Die Deutsche Bahn hat einen ICE-Zug auf den Namen Martin Luther getauft. Den Zug zieren Name und das Konterfei des Reformators. Der Dienstag, der 31. Oktober wird ein bundesweiter deutscher Feiertag sein. Vielleicht denken Sie an diesem Tag einmal an LUTHERS wunderschönes Lied: Ein feste Burg ist unser Gott.

Meilenstein war die Entwicklung der von protestantischen wie - mit Ausnahme des Kirchenstaates - katholischen Mächten anerkannten Trennung von Kirche und Staat im Westfälischen Frieden von 1648. Ob ERDOGAN das bekannt ist?

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